Re WCd

Der eisenbahnrechtliche Status der Strecke   Wilkau-Haßlau - Carlsfeld

Allgemeine Ausgangslage zur Wiedervereinigung BRD-DDR 1990

Gemäß Artikel 26 des Einigungsvertrages (BGBl. 1990 II S. 889) vom 31.08.1990 wurden mit Wirksamwerden des Beitritts die beiden Staatsbahnen Deutsche Reichsbahn (DR) und Deutsche Bundesbahn (DB) zum "Sondervermögen Deutsche Reichsbahn" sowie "Sondervermögen Deutsche Bundesbahn" umgewandelt. Beide Sondervermögen waren Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Zum die Strecke Wilkau-Haßlau - Carlsfeld (WCd) betreffenden Sondervermögen Deutsche Reichsbahn gehörten u.a. alle Vermögensrechte, die nach dem 8. Mai 1945 dem Betrieb der DR gewidmet waren, unabhängig davon, an welche neuen Rechtsträger die Bahnflächen nach Stilllegung der Strecke zu Zeiten der DDR übertragen worden sind.

Zum 1. Januar 1994 fusionierten beide Sondervermögen zum "Bundeseisenbahnvermögen", welches in einen unternehmerischen Bereich sowie in einen Verwaltungsbereich unterteilt war. Aus dem unternehmerischen Bereich ging die Deutsche Bahn AG (DB AG) hervor, während aus dem Verwaltungsbereich heraus die Bundesbehörden "Eisenbahn-Bundesamt (EBA)" und "Bundeseisenbahnvermögen (BEV)" gebildet wurden. Das BEV wird ab 1. Januar 2009 mit dem EBA zusammengelegt.

Die Deutsche Bahn AG ist für alle bahnnotwendigen Liegenschaften zuständig, das BEV dagegen für die nicht-bahnnotwendigen Liegenschaften (z.B. Reichsbahn-Kleingartenanlagen u. Sportstätten). Unabhängig davon ist die DB AG gemäß § 22 Eisenbahnneuordnungsgesetz (ENeuOG; BGBl. 1994 I S. 2378, (1994, 2439)) auch zur Verfügung über Liegenschaften befugt, wenn das BEV als Eigentümer der Liegenschaften im Grundbuch eingetragen ist. Auf der Grundlage des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz - VZOG; BGBl. 1991 I S. 709) hat der Rechtsnachfolger der DR das Recht auf Restitution (Rückgabe) der ehem. Trassengrundstücke. Dieser Anspruch wurde seitens des Bundeseisenbahnvermögens - hier bezogen auf die Trassengrundstücke der WCd im Bereich der Gemarkung Kirchberg - auch wahrgenommen. Der größte Teil der ehem. DR-Liegenschaften in Kirchberg befand sich bis zum Verkauf 1997 im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, Bundeseisenbahnvermögen.

Mit der Wiedervereinigung wurden alle Strecken der ehem. DR in das DB-Streckendatensytem "STREDA" eingebunden. Darin sind neben allen bestehenden DB-Strecken auch stillgelegte, abgebaute oder geplante Strecken verzeichnet, soweit die DB AG für diese Strecken rechtliche Verpflichtungen besitzt. Die stillgelegte und abgebaute Strecke Wilkau-Haßlau - Carlsfeld erhielt dabei die amtliche Streckennummer 6973.

Aktuelle Rechtslage

Die Strecke WCd wurde abschnittsweise von 1970 bis 1979 stillgelegt. Diese Stilllegungen entsprechen sinngemäß den Vorschriften des § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG; BGBl. 1993 I S. 2378 (2396) (1994, 2439)). Allein die Stilllegung der Bahnstrecke, der anschließende Rückbau oder Verfall der Bahnanlagen bedeutet nicht, dass die Strecke in Zukunft nicht mehr benötigt wird (vgl. Präsidialverfügung des EBA vom 31.10.2005). Nach Mitteilung des Eisenbahn-Bundesamtes (Außenstelle Dresden) vom 06.11.2006, sowie der DB Services Immobilien GmbH (Niederlassung Leipzig) vom 04.04.2006, sind keine Flächen der Strecke WCd vom Bahnbetriebszweck freigestellt (entwidmet) worden, dass heisst, die Strecke ist rechtlich gesehen nach wie vor eine Eisenbahnlinie, auch wenn besonders im Bereich der zahlreichen Ortsdurchfahrten ein Zustand erreicht ist, der einer eisenbahnrechtlichen Widmung offensichtlich widerspricht.

Nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist allein die "Freistellung vom Bahnbetriebszweck" (also nicht die Stilllegung!) der erforderliche Hoheitsakt, um den Status von Eisenbahnbetriebsanlagen als öffentliche Sachen und zugleich das Fachplanungsprivileg des § 38 Baugesetzbuch (BauGB) aufzuheben. Alle Bahnanlagen sind nach § 38 BauGB geschütz und damit der kommunalen Planungshoheit entzogen, unabhängig davon, wem das betreffende Grundstück gehört. Folglich können z.B. heutige Privatgrundstücke, die in früherer Zeit eine Eisenbahn gedient haben, noch eisenbahnrechtlich gewidmet sein. Planerische Festsetzungen des Grunstückseigentümers, die der Zweckbestimmung einer Bahnanlage zuwider laufen, sind daher nicht zulässig.

An einem Freistellungsbescheid, der allein vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als oberste Planfeststellungsbehörde erlassen wird, fehlt es bei der Strecke Wilkau-Haßlau - Carlsfeld. Ein Wiederaufbau - egal ob vollständig oder abschnittsweise - ist planungsrechtlich gesehen ohne Planfeststellungsverfahren möglich, sofern der ursprüngliche Zustand vor der Stilllegung wiederhergestellt werden soll. Dies gilt dann nicht als Neubau einer Eisenbahnstrecke, sondern als Extremfall einer (unterlassenen) Unterhaltungsmaßnahme.

Vermutlich aus Unkenntnis über den o.g. Sachverhalt, wurde z. B. in Kirchberg ein Abwassersammler in die Bahntrasse hinein verlegt und ein Radweg darüber gebaut. Weitere Beispiele aus der Nachwendezeit sind die widerrechtlich überbauten Gelände der Betriebsstellen Kirchberg, Oberhartmannsdorf, Rothenkirchen, Stützengrün und Schönheide West.

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